Fachschaft Philosophie
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Lektürekurse Sommersemester 2024

Bei Teilnahmeinteresse oder Fragen (z.B. zur Literatur) schreibt den Kursleiter*innen gerne jederzeit eine Mail.

Folgende Kurse finden im Sommersemester 2024 statt:

Der Glitch als paradigmatische Denkfigur der Gegenwart

Nicht nur Computer funktionieren auf Grund von binär codierten Systemen. Auch gesellschaftlich spiegelt sich eine gewisse Binarität im Denken wider. Viele denken beispielsweise in binären Geschlechtercodes. Auch wenn Ordnung in einer Vielzahl von Hinsichten hilfreich sein kann, wird im Rahmen dieses Kurses ein Gegenprojekt formuliert. Ein Aufbrechen, ein Abweichen von binären Geschlechtercodes, von Normen und von einem Denken im on- und offline. Der Zwischenraum, der durch eine Abweichung von einem System entsteht, steht im Fokus. Der Begriff des „Glitches“, ein Begriff der Störung, ist im alltäglichen Sprachgebrauch sowie in der Theoriebildung, Literatur und auch in der Kunst immer häufiger wiederzufinden. Was ist ein Glitch? Welche Rolle spielt das Phänomen als Denkfigur in der gegenwärtigen Theoriebildung? Und in welchen weiteren Bereichen sind Abweichungen in Systemen relevant? Die Schnittstellen der Philosophie mit Kunst, Gegenwartsliteratur und Medientheorie werden hierbei auch im Fokus stehen. So werden Werke wie Legacy Russells „Glitch Feminism“ Gegenstand des Kurses sein, sowie weitere Texte aus der feministischen Theorie, Medientheorie, Ethik (der KI), (Praktischen) Philosophie, Soziologie und Gegenwartsliteratur.

Not only computers are programmed using binary codes. Most people think in binary categories e.g. gender categories. Even though a certain order within systems often functions as protection of individuals, the main focus in this course lays in the spaces in between deviations of systems. The term „glitch“ resonates in many parts of everyday life for example in the formation of theory, in literature or art. What exactly is a glitch? And what role does this phenomenon play as an idea or a concept/form of thought in current theories and debates? And are there other areas in which a deviation within a system is relevant? We will shed light on intersections in philosophy with literature, art and media studies and read works such as “Glitch Feminism” written by Legacy Russell, other texts about feminism, ethics, sociology, algorithms, labor and social justice.

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Gender (und Unterdrückung) verstehen – in den Tiefen feministischer Theorie

Zu feministischer Philosophie zählt heute eine Bandbreite verschiedener theoretischer Ansätze: Intersektionaler Feminismus, Queer-Feminismus, materialistischer Feminismus, Schwarzer Feminismus, Differenzfeminismus, Dekolonialer Feminismus, sozialkonstruktivistische Theorien zu Gender (und vieles mehr). Dabei haben alle diese Ansätze etwas beizutragen zu der Frage, was ist gender überhaupt, wie kann es am besten erfasst werden? Und den hiermit zusammenhängenden Fragen: In was für ein gesellschaftliches Netz aus zusammenhängenden Unterdrückungsmechanismen ist gender eingelassen, wie sollte gender für emanzipatorische-feministische Zwecke konzeptualisiert sein, wie können Unterdrückungsmechanismen rund um gender effektiv bekämpft und überwunden werden? Das Ziel dieses Lektürekurses ist es Einblick in die verschiedenen Grundsatz-Debatten verschiedener feministischer Ansätze zu bekommen, uns hierdurch möglichen Antworten der Hauptfragen des Feminismus zu nähern und uns einem emanzipatorischen Verständnis von gender zu nähern. Dabei bleibt die Frage offen, ob für dieses Verständnis, materialistische queere, intersektionale und dekoloniale Ansätze zusammengedacht werden können oder vielleicht sogar zusammengedacht werden müssen und ob diese gar versöhnbar sind.

Zu diesem Zweck werden in diesem Lektürekurs verschiedene Grundtexte der jeweiligen feministischen Ansätze studiert: Maria Lungones, Sally Haslanger, Silvia Federici, Judith Butler, Oyèrónkẹ́ Oyěwùmí, Angela Davis, Kimberlé Crenshaw, Ashley J. Bohrer, Andrea Trumann, Franziska Haug, Alexandra Colligs (und viele mehr) all diese Theoretiker:innen haben einen reichhaltigen feministischen Wissensschatz produziert, von welchem wir in diesem Kurs profitieren können. Obgleich ich für verschiedene Thematiken bestimmte Texte in der Hinterhand habe, möchte ich diesen Lektürekurs als kollektiven Prozess betrachten, in dem wir zusammen je nach Vorwissen und Interesse bestimmte Schwerpunkte legen können. Die infrage kommenden Texte sind sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch.

Aufgrund der Begünstigung einer lebendigen Diskussionskultur, die ich für politische Philosophie unerlässlich finde, würde ich mich freuen den Kurs in Präsenz abhalten zu können- je nach Nachfrage ist online aber natürlich auch eine Option. Ich würde mich sehr freuen, falls Studierende Interesse an diesem Kurs haben, gemeinsam in Diskussionen in die Tiefen feministischer Theorie einzusteigen! Falls Fragen bestehen, schreibt mir gerne

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Analytical Marxism

Analytical Marxism is a strand of Marxist thought developed in the late 1970s and onwards in the circles of anglophone academia. It is characterized by two commitments:

  1. Importance of substantive claims of traditional Marxism such as the materialist development of history, class structure of society, base-superstructure understanding of economy-politics relationship, and normative claims such as a preference for action which aims towards establishing a non-capitalist system.
  2. Need for precision and rigour in argumentation achieved by using methods developed in the Analytic Philosophy, such as linguistic and logical analysis, functional and game-theoretic explanations in social sciences and even some types of methodological individualism or rational-choice modelling.

The main reading for this course is G.A. Cohen’s ”Karl Marx’s Theory of History: a Defence” (1978), one of the most cited and well-known books about Marx’s theory written in English. It is a book whose publication is often
considered the start of Analytical Marxism and which is arguably the most renowned and influential work coming from the whole project. Its scope is huge and it is an incredible representative of the idea of applying an ”analytical methodology” for the reasons of clear articulation and critical defence of Marxist theory. It deals with questions very significant for understanding history, politics and economics, such as: How to understand the idea that ”The history of all hitherto existing society is the history of class struggles”? What are productive forces and what is their relationship to economic relations of production? What does it mean to say that the material properties of society determine many cultural, ethical and political properties, and is it true? We will try to engage with some replies to Cohen’s book, from perspectives of mainstream Political Philosophy and non-analytical Marxist currents, but also from within Analytical Marxism.

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Die Setzung und Abgrenzung der Anderen – Essentialisierung und Abjektion im Antisemitismus

„Sie müssen sich sicher sein. Ohne jeden Zweifel. Am Hass zweifelnd lässt sich nicht hassen“, schreibt die Habermas-Schülerin und Philosophin Carolin Emcke in ihrem hochgelobten Buch Gegen den Hass. Die Sicherheit des Hassens wird durch Setzung und Abgrenzung des Gegenüber als „Anderem“ erreicht. Das, was ich dort diffamiere, erniedrige und markiere unterscheidet sich essentiell von dem, was ich bin und dem, was mich ausmacht, scheint die Logik zu sein.„ ‘Die sind anders als wir’ hört man oft über sie, und dieses Anderssein wirkt verstörend oder abstoßend.“, stellt die französische Rabbinerin Delphine Horvilleur im Kontext von Antisemitismus fest.

Den Hass des Antisemitismus gilt es in diesem Lektürekurs mit der Philosophie und ihren Werkzeugen zu bezweifeln. Idee ist es, der Setzung und Abgrenzung eines jüdischen Anderen in den Praktiken der Essentialisierung und Abjektion nachzugehen. Ziel des Kurses wird es sein zunächst die Praxis der Abjektion und die der Essentialisierung in Bezug auf Antisemitismus zu erarbeiten, um diese dann sowohl historisch im Kontext der Shoah als auch in ihrer Kontinuität im aktuellen Antisemitismus zu untersuchen.

Er gliedert sich in zwei Teile. Der erste Block befasst sich mit der theoretischen Betrachtung und Erarbeitung der Theorie der Abjektion, der Praxis der Essentialisierung und dem Antisemitismus als Diskriminierungsform. Anschließend werden Essentialisierung, Abjektion und ihr Zusammenspiel konkret am Antisemitismus in den Blick genommen und als zentrale Praktiken sowohl in der Shoah als auch im modernen Antisemitismus herausgestellt.

Im zweiten Block werden die Ergebnisse des Kurses reflektiert und Strategien entwickelt, um Antisemitismus und Hass gegen Jüd*innen zu begegnen und ihm etwas entgegenzustellen. Fragen, die sich uns hier stellen sind: Was können wir aus den gewonnen Erkenntnissen lernen und inwiefern betreffen sie direkt unseren Alltag? Wie dem graßierendem Antisemitismus begegnen? Was ist die Rolle der Philosophie dabei? Und was den vorherrschenden Vorgängen von Abjektion und Essentialisierung in unserer Gesellschaft entgegensetzen? Wir wollen so gemeinsam in die Zukunft denken, denn wie Imre Kertesz es in seiner Nobelpreisrede einmal formulierte: „[...]Über Auschwitz nachdenkend, denke ich paradoxerweise vielleicht eher über die Zukunft nach als über die Vergangenheit“ (Imre Kertesz 2002).

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The Iterative Conception of Set

What sort of objects does modern mathematics postulate? What is the central subject matter of math and what are the limits of mathematics? The most commonly called upon theory to answer these questions is set theory. Since Cantor, set theory has been giving us profound philosophical and mathematical results. It has challenged our intuitions about infinity, given us foundational understanding of virtually all of mathematics and even resurged after the threat of
paradox. But for all of its achievements, it has grown surpassing one (arguably) very central question: What are sets? One proposal to answer this question however is almost as old as modern set theory itself. We can view sets as being formed in stages, with the first stage containing only the empty set and then by iteration the n+1-th stage containing all the sets of those objects existing at the stages 1, …, n, and so on ad infinitum, with there being at least one “infinite” (limit) stage to collect the infinitely many before it. While sounding simple, this theory has led to multiple controversial claims about the nature of math and set theory. This student tutorial course is meant to give a philosophical, critical introduction to the iterative conception by discussing the different most foundational papers on the topic. Towards the end, I intend to delve into possible conflicts that might arise between the iterative conception and naturalism in the philosophy of math and how the iterative conception relates to large cardinal axioms.

No background in mathematics is required, however familiarity with first-order logic and formal proofs is recommended. In the first week(s), I will teach all necessary and relevant set theory and logic for the course. Depending on who is interested, the course can also be held in German.

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Wittgenstein: Über das, was wirklich wichtig ist

„…ohne Zweifel ist es das Wissen um den Tod und neben diesem die Betrachtung des Leidens und der Not des Lebens, was den stärksten Anstoß zum philosophischen Besinnen und zu metaphysischen Auslegungen der Welt gibt.“
Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung

Vermutlich gilt diese Feststellung für keinen Philosophen so sehr, wie für Ludwig Wittgenstein. Als er während des ersten Weltkrieges - unter anderem an der Front stationiert - an seinem ersten Hauptwerk, der logisch-philosophischen Abhandlung arbeitet, erfährt diesem eine Wende, welche dem Tractatus bis heute seinen mysteriösen und eigentümlichen Charakter verleiht. Von den Grundlagen der Logik, dehnen sich seine Gedanken aus zum Wesen der Welt und so endet der Tractatus in mystisch-dunklen, tiefsinnigen Bemerkungen über Ethik, Tod und den Sinn des Lebens. Nicht ganz Unschuldig hierbei ist der russische Schriftsteller Leo Tolstoj, der die religiöse Haltung Ludwig Wittgensteins, sowohl für sein Werk als auch für sein Leben entscheidend mitgeprägt hat.

In diesem Lektürekurs soll sich in Verbindung mit Wittgensteins „Vortrag über Ethik“ und Tolstojs Kurzgeschichte „Die beiden Alten“ genau der oben angezeichnete Gedankenkosmos erschlossen werden. Wir wollen also verstehen, was Wittgenstein unter Ethik überhaupt versteht, warum alles wichtige unaussprechlich ist und wie wir stattdessen darüber schweigen können und müssen.

Hierfür wird eine kurze und schlichte, zu Beginn des Kurses angelegte Einführung in die logisch-philosophische Abhandlung von Nöten sein woraufhin dann in der offenen Runde die Sätze ab 6.4 sowie die oben erwähnte Literatur ausführlich diskutiert werden können.

Der Lektürekurs versteht sich somit als ein kollektives Anrennen „gegen die Grenzen der Sprache“ um über das zu sprechen, was wirklich wichtig ist.

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Shakespeare als Philosoph lesen

Shakespeare assoziieren wir normalerweise mit einem Autor, der eher von Literaturwissenschaftler*innen und nicht von Philosoph*innen gelesen wird. Schade eigentlich, denn seine Stücke bieten unglaublich viel Material für philosophische Auseinandersetzungen.

In diesem Lektürekurs wollen wir uns Friar Lawrence’s Rat an Romeo – „Adversity’s sweet milk, philosophy“ (3.3.58) – annehmen. Die zentrale Frage des Kurses lautet: Können wir Shakespeare als genuinen Philosophen lesen dessen Stücke immer noch relevanten Fragen thematisieren?

Der Kurs ist in drei Teile bzw. Stücke aufgeteilt, die wir jeweils an ausgewählten Passagen/Szenen hinsichtlich dazu passender philosophischer Themen behandeln und diskutieren:

  • Komödie – A Midsummer Night’s Dream: Thema Liebe, Geschlechterrollen & Phantasie
  • Historie – Henry IV Part 1: Thema Ethik, Freundschaft & Glück
  • Tragödie – King Lear: Thema Ethik, Skeptizismus & Metaphysik

Die Auswahl der Stücke kann aber auch nach Belieben der Teilnehmer verändert werden (Alternativen wären z.B. Julius Caesar, Hamlet oder Macbeth, etc.).

Die Auszüge aus den Stücken werden im englischen Original gelesen. Die Handlung der Stücke grob zu kennen ist hierbei zwar vorteilhaft, aber sie müssen nicht unbedingt davor gelesen werden – der Kontext der Szenen/Stellen kann immer hinreichend erklärt werden (es gibt übrigens zu allen Stücken auch sehr gute Verfilmungen auf Youtube). Auch werden wir zu den Stücken Sekundärtexte lesen. Dabei orientieren wir uns primär an „Shakespeare’s philosophy“
von Colin McGinn, „Shakespeare the thinker“ von A. D. Nuttall und bestimmten Essays von Michel de Montaigne.

Durch eine offene Diskussion, das Einbringen eigener Ideen oder auch Kritik wollen wir neue Perspektiven auf zeitlose Probleme eröffnen.


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